M 29 – Der kleine „Plejaden“-Sternhaufen im Schwan

Ort: Schwedt, Datum: 18.10.2025, Uhrzeit: 20:22 - 21:37 Uhr MESZ
Teleskop: Seestar S50, 240 Lights je 10 Sekunden
Gestapelt und leicht bearbeitet mit Astroart
Einleitung
Der offene Sternhaufen Messier 29 (NGC 6913) befindet sich im Sternbild Cygnus – dem Schwan – in einer sehr sternreichen Region der Milchstraße. Es handelt sich um einen relativ kompakten offenen Sternhaufen mit einer scheinbaren Helligkeit von ca. +6,6 mag (bzw. je nach Quelle etwa +7,1 mag). Die Anordnung der hellsten Sterne erinnert an die Plejaden. Die Winkelausdehnung beträgt rund 7 – 10 Bogenminuten. Er befindet sich etwa 1,7° südlich des hellen Sterns Gamma Cygni (Sadr), der das Kreuz des Schwans markiert, was die Auffindung erleichtert. Aufgrund seiner Lage in einem stark mit Sternen und interstellarem Material gefüllten Gebiet ist die Abgrenzung der Haufenmitglieder von den vielen Hintergrundsternen keine triviale Aufgabe.
Physikalische und astronomische Eigenschaften
- Entfernung: Es existieren unterschiedliche Angaben; gängige Werte liegen bei etwa 3 700 bis 6 000 Lichtjahren (≈ 1.100 – 1.800 pc). Nach dem „Catalogue of Open Cluster Data (COCD)“ beträgt der Wert ca. 1.148 kpc (~3.744 Ly).
- Durchmesser: Der Haufen hat einen Durchmesser von rund 10 Lichtjahren, was einer Winkelausdehnung von etwa 7 bis 10 Bogenminuten entspricht
- Alter: Der Haufen ist sehr jung – mit einer Altersangabe von etwa 10 bis 13 Mio. Jahren.
- Sternzusammensetzung: Wegen der den Schwan durchziehenden Sternwolken ist es schwierig, die Haufenmitglieder von den zahlreichen Hintergrundsternen abzugrenzen. Dementsprechend gab der frühere Becvar-Katalog nur 20 Sterne an, Wikipedia 50, andere Autoren jedoch bis 300. Nach der Einordnung in die Trumpler-Klasse sind es weniger als 50 Sterne. Der Haufen enthält auffallend heiße und blaue B-Sterne, die sich deutlich vom Hintergrund unterscheiden. Die fünf heißesten Mitglieder von M 29 sind Riesensterne der Spektralklasse B0 mit etwa 160.000-facher Leuchtkraft der Sonne. Es gibt sechs Sterne in M 29, die heller als 9,5 mag sind. Der hellste hat eine visuelle Größe von 8,59 mag.
- Umgebung: Der Haufen liegt in einer Region mit erheblicher interstellarer Staub- und Gasverdunkelung („Extinktion“). In bestimmten Untersuchungen wurde z. B. eine mittlere Verdunkelung von etwa A(V) ≈ 2,9 mag angegeben. Ohne den Staub der Milchstraße, der den Sternhaufen verdeckt, würden die Sterne in M 29 etwa 1.000 Mal heller erscheinen.
- Trumpler-Klasse: Er wird der Trumpler-Klasse III,3,p,n zugeordnet. Das bedeutet: Es handelt sich um einen frei stehenden Sternhaufen ohne erkennbare zentrale Verdichtung (III), der sowohl helle als auch schwache Sterne enthält (3), weniger als 50 Sterne umfasst (p) und mit umgebender Nebulosität (n) verbunden ist. Diese Nebulosität kann auf Fotografien deutlich sichtbar werden.
- Bewegungsrichtung: Messier 29 nähert sich uns mit einer Geschwindigkeit von etwa 28 km/s. Der Sternhaufen gehört zur Cygnus OB1-Assoziation, einer großen Gruppe von Sternen, die gemeinsame Bewegungsrichtung, ähnliches Alter und denselben Entstehungsort haben. Der Begriff OB-Assoziation bezeichnet lose Gruppen sehr junger, massereicher Sterne der Spektralklassen O und B. Diese Sterne sind extrem leuchtkräftig und kurzlebig, weshalb sie sich meist noch in der Nähe ihrer Geburtswolken befinden. Die Cygnus OB1-Assoziation ist eine der bekanntesten dieser Sternentstehungsregionen im Sternbild Schwan und enthält zahlreiche heiße, blaue Riesensterne – darunter auch die hellsten Mitglieder von Messier 29.
Beobachtung & Astrofotografie
Dank seiner Helligkeit und kompakten Struktur eignet sich Messier 29 gut für astrofotografische Anwendungen — auch mit kleinen und mittleren Teleskopen bzw. Kamera-Systemen. Aufgrund der dichten Sternfelder und des Staubs im Vordergrund wirkt er visuell jedoch oft unscheinbarer als er astrometrisch und strukturell ist.
Historischer Hintergrund
Messier 29 gehört zu den ursprünglichen Entdeckungen von Charles Messier. Er ist eines von nur zwei Deep-Sky-Objekten im Sternbild Schwan (Cygnus), die Messier in seinen berühmten Katalog aufnahm – neben dem offenen Sternhaufen Messier 39. Messier katalogisierte M 29 am 29. Juli 1764 und vermerkte dazu folgende Beobachtung:
In der Nacht vom 29. auf den 30. Juli 1764 entdeckte ich einen Haufen von sechs oder sieben sehr kleinen Sternen unterhalb von Gamma Cygni, den man mit einem gewöhnlichen (nicht achromatischen) Refraktor von dreieinhalb Fuß Brennweite in der Form eines Nebels sieht. Ich habe diesen Haufen mit dem Stern Gamma verglichen und seine Position bestimmt mit einer Rektaszension von 303° 54′ 29″ und einer Deklination von 37° 11′ 57″ nördlich.
Der englische Astronom William Herschel beobachtete M 29 am 27. Oktober 1794 und fand ihn wenig beeindruckend. Er schrieb, der Haufen sei
nicht deutlich genug im Himmel markiert, um besondere Beachtung zu verdienen, da Gruppen von sieben oder acht kleinen (schwachen) Sternen in dieser Himmelsregion so häufig vorkommen, dass man sie zu Hunderten finden könnte.
John Herschel katalogisierte den Sternhaufen im Jahr 1829 unter der Bezeichnung h 2078 und beschrieb ihn als
einen groben Haufen aus acht großen Sternen (10. Größenklasse) und einem Dutzend bis zwanzig kleineren, in einer annähernd runden Anordnung.
Der britische Admiral und Astronom William Henry Smyth beobachtete den Haufen im Juli 1836 und gab folgende Beschreibung:
Ein hübscher, aber kleiner Sternhaufen am Ansatz des Halses des Schwans, im vorderen Ast der Milchstraße, knapp 2 Grad südlich von Gamma und etwa ein Grad nördlich parallel zu 40 Cygni, einem Stern 6. Größenklasse. Im südwestlichen Teil befinden sich zwei Sterne, die hier als Doppelsterne eingeschätzt werden, von denen A = 8 mag, gelblich, und B = 11 mag, schwach ist. Messier entdeckte diesen Haufen im Jahr 1764, und obwohl seine Beschreibung recht zutreffend ist, weicht seine Deklination stark ab: Für meine Epoche berechnet, würde sie 37° 26′ 15″ nördlich betragen. Man kann sich jedoch nur wundern, dass Messier mit seinen begrenzten Mitteln und Methoden so viel erreicht hat.
Warum Messier 29 interessant ist
Obgleich „klein und unscheinbar“, bietet Messier 29 eine faszinierende Kombination: ein junger Sternhaufen, heiß-blaue Sterne und eine dichte Vordergrundstruktur aus Staub und Gas. Die geopgraphische Anordnung der hellsten Sterne erinnert an die Plejaden, macht M 29 aber zu einem leichter auffindbaren Ziel für Einsteiger.
- Für Astrofotografen: Der Kontrast zwischen dem kompakten Haufen und dem sternreichen Hintergrund der Milchstraße sowie die Nähe zu markanten Sternen wie Gamma Cygni machen ihn zu einem lohnenden Ziel.
- Für den visuellen Beobachter: Mit einem Fernglas oder kleineren Teleskop erscheint der Haufen als kleiner Nebelfleck mit einigen helleren Komponenten – eine schöne Einstiegsmöglichkeit in die Deep-Sky-Beobachtung.
- Für die Astrophysik: Durch die jungen heißer Sterne und das Umfeld mit interstellarem Material lässt sich einiges über Sternentstehung und die Dynamik junger Sternhaufen lernen. (Siehe z. B. Studien zu binären Sternen in M 29)